Der Autor aus Sicht der Übersetzerin
Ein netter Kontakt mit dem Autor oder der Autorin eines bestimmten Werkes ist nicht nur hilfreich für die Übersetzung, sondern beflügelt die Arbeit noch einmal mehr. Es macht einfach Spaß zu wissen, wer hinter dem Werk steht, das ich gerade übersetze, und wenn mir das Buch gefällt, ist es umso spannender, den Autor oder die Autorin kennen zu lernen.
Der erste Kontakt mit David Zindell fand im März 2003 statt, als ich ihm während der Arbeit am ersten Band mailte, weil sich einige Fragen bezüglich bestimmter Pflanzen angesammelt hatten. Ich war mir nicht sicher, ob es sie wirklich gab oder ob er sie erfunden hatte - was in Fantasy-Romanen bekanntlich häufig vorkommt - und fragte erst einmal nach seiner Bereitschaft nach, mir bei der Klärung zu helfen.
"Sure", schrieb er zurück, "I'd be happy to answer your questions. Would you like to do this by phone or email?"
Ups, dachte ich. Nun ist mein aktives Englisch zwar nicht sooo schlecht, und ich hätte auch einerseits gern telefoniert. Die Vorstellung allerdings, all meine Fragen am Telefon zu stellen und mir die Antworten irgendwie während des Gesprächs aufschreiben zu müssen - ohne zu wissen, wie gut ich sein Amerikanisch würde verstehen können - war irgendwie doch zuviel. Also lieber per Mail.
Ich schickte ihm eine lange Liste mit etwa zwanzig Pflanzennamen und anderen Begriffen sowie einigen grundsätzlichen Fragen - wie die danach, ob das Eine als sächlich zu denken wäre oder als männlich oder weiblich und was es mit der "Great Remembrance" genau auf sich hat - und hoffte, dass er angesichts der Menge an Fragen keinen Schock bekam.
Meine Sorge war unbegründet, oder zumindest bekam ich nichts anderes mit. David Zindell erwies sich von Anfang an als sehr sympathisch, hilfsbereit und offen, und seine Antwort war der Beginn eines sehr inspirierenden, bereichernden Kontaktes, in dem es schon bald nicht nur um Übersetzungsfragen ging. Was genau genommen auch kein Wunder ist, denn das Valashu-Epos ist mit Herzblut geschrieben, es atmet spirituellen Geist, und meine Fragen zur Übersetzung berührten immer wieder tiefere Aspekte des Menschseins, über die wir uns unterhielten.
Der Autor, das wurde schnell klar, wusste, wovon er schrieb. Er schöpfte aus der Tiefe seines eigenen Seins, und diese Authentizität ist es, die die Kraft seiner Bücher ausmacht. Überrascht hat mich sein Faible für deutsche Dichter wie Nietzsche und Rilke (spürbar in einigen Gedichten), und wie gut er sich mit der deutschen nationalsozialistischen Vergangenheit auskennt (siehe Szene in Band 3 in Hesperu). Dass er nicht nur großes Wissen über Philosophie, sondern auch über Spiritualität hat, war zwar nicht an sich überraschend, aber für mich doch etwas Neuland und daher sehr interessant. Auf diese Weise wurde ich auf Ken Wilber aufmerksam, der im Bereich der Integralen Theorie über Spirituelle Evolution, Psychologie und Philosophie schreibt, oder auf Aurobindo und etliches mehr, das mir eine neue, spannende Welt eröffnet hat.
Hilfsbereit war David Zindell auch noch auf ganz andere Weise - ich erinnere mich daran, wie ich auf das übersetzungsfähige Manuskript des zweiten Bandes wartete, das einfach nicht kam und kam. Nun war es aber so, dass ich in Urlaub fahren wollte und den Roman gern mitgenommen hätte, um ihn dort in aller Ruhe zu lesen. David war sofort bereit, mir ihn - dateienweise - zu schicken, so dass ich schließlich alles noch gerade rechtzeitig vor meiner Abreise zusammen hatte. Etwas Ähnliches wiederholte sich, als es um den dritten Band ging, nur war da sein Computer defekt, weshalb ein Freund von ihm mir die Dateien ebenfalls in kleinen Häppchen schickte.
Ein persönliches Treffen, das sicher sehr spannend und informativ wäre, ist zwar - u.a. im Rahmen eines Cons - angedacht gewesen, leider aber bisher aus diversen Gründen nicht zustande gekommen.